Telematikinfrastruktur – was kommt 2022 auf uns zu?

Berlin, 16.12.2021

Das Jahr 2021 hat viele Praxen vor Herausforderungen gestellt. Neben einer beispiellosen Impfkampagne wollte auch die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) bewältigt werden. Dadurch bekamen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), die Patientenakte (PA) und das Rezept ein „e“ und KIM verbannte das Fax aufs Abstellgleis – theoretisch jedenfalls. Während es bei der Umstellung an einigen Stellen noch hapert, stehen für 2022 schon die nächsten Projekte an. Ergebnisse einer Umfrage der gematik zeigen jetzt: Die Mehrheit der Praxen ist noch nicht „TI-ready“, aber schon gut informiert.

Mitte November hat die gematik die erste Ausgabe des „Atlas zur Telematikinfrastruktur (TI)“ veröffentlicht und darin die Ergebnisse einer Umfrage unter einer repräsentativen Stichprobe von Patienten*innen und Leistungserbringer*innen des Gesundheitswesens im August 2021 ausgewertet. Dabei kam heraus, dass zu diesem Zeitpunkt zwar 93 % der Arztpraxen an die TI angeschlossen waren, aber nur 31 % auch bereits den elektronischen Heilberufsausweis besaßen und mindestens eine der TI-Anwendungen vollumfänglich installiert hatten. Nach den Kriterien der gematik waren also 69 % nicht vollständig „TI-ready“. Grundsätzlich waren die TI-Anwendungen in den meisten der befragten Arztpraxen bereits bekannt – auf der Seite der Versicherten sah das jedoch noch anders aus.1 So fand die gematik in ihrer Umfrage beispielsweise heraus, dass nur 22 % der Versicherten die ePA kannten. Wurden die Befragten jedoch über die elektronische Patientenakte aufgeklärt, erklärten sich rund 80 % von ihnen grundsätzlich bereit, die Anwendung zu nutzen.2 Die Ampel-Parteien möchten dies den Versicherten so einfach wie möglich machen: Nach dem Willen der drei Parteien sollen alle Versicherten DSGVO-konform eine ePA erhalten. Ist die ePA nicht gewünscht, muss aktiv widersprochen werden (Opt-out-Prinzip).3
Generell waren Datenschutzbedenken bei den Versicherten weniger ausgeprägt als bei den Leistungserbringer*innen: Während zum Beispiel 77 % der Versicherten glaubten, dass ihre Gesundheitsdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) sicher seien, taten dies nur 40 % der befragten Ärzte*innen.1

Sie möchten mehr über den aktuellen Stand der Telematikinfrastruktur erfahren? Ein ausführliches Interview des Gesundheitsmanagements der BERLIN-CHEMIE AG mit Charly Bunar von der gematik können Sie im Podcast „EinBlick – nachgefragt“ hören.

Auch 2022 gibt’s das Rezept noch auf Papier

Nachdem bereits am 1. Juli 2021 in ausgewählten Praxen und Apotheken in der Region Berlin-Brandenburg eine Testphase für das E-Rezept gestartet ist, will die gematik die Tests im Dezember ausweiten: Nun können die Softwareanbieter das E-Rezept auch in ausgewählten Praxen und Apotheken in anderen Regionen Deutschlands testen.4 Das klassische Papierrezept bleibt den Praxen aber auch im Jahr 2022 noch eine Weile erhalten. Zwar bleibt es beim bisherigen bundesweite Starttermin für das E-Rezept am 1. Januar 2022, jedoch haben Ärzte*innen noch bis zum 30. Juni 2022 die Möglichkeit, sowohl Rezepte als auch AU auf Papier auszustellen. Die KBV hatte auf eine solche Übergangsregelung hingewirkt, um den Praxen, die mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, Zeit zu verschaffen.5 Auch bei den viel diskutierten Honorarkürzungen für Ärzte*innen, die noch nicht an die TI angebunden sind, gibt es Bewegung: In einigen Bundesländern haben sich die jeweiligen KVen gegen solche Sanktionen ausgesprochen.6 Bei der KV Hessen etwa können Ärzte*innen, die z. B. aufgrund einer unzureichenden Internetanbindung nicht an die TI angeschlossen sind, mit entsprechendem Nachweis einen formlosen Antrag auf Befreiung von den vorgesehenen Sanktionen stellen.7

Zum E-Rezept und dessen praktischer Anwendung hat das Gesundheitsmanagement der BERLIN-CHEMIE AG im Podcast „EinBlick – nachgefragt“ ein Interview mit Ralf König, Director Pharmacy des health innovation hub (hih) geführt. Dieses können sie sich hier anhören:

Der Chat für Ärzte*innen

Immer mehr Dienstleister*innen und Geschäfte können auch bequem über Messengerdienste wie WhatsApp und Co. erreicht werden – wenn es um hochsensible Gesundheitsdaten geht, ist das eher keine gute Idee. Die Telematikinfrastruktur soll auch hier Abhilfe schaffen: Mit dem TI-Messenger sollen Leistungserbringer*innen des Gesundheitswesens zunächst untereinander unkompliziert Kurznachrichten sowie Text-, Bild- und Audiodateien austauschen können.8 Die gematik hat hierzu bereits im Oktober 2021 Spezifikationen veröffentlicht, nach denen sich die Entwickler bei der Konzeption einer Messenger-Lösung richten müssen. Die ersten TI-Messenger könnten in der zweiten Jahreshälfte 2022 auf dem Markt kommen. Später soll der Messenger auch Leistungserbringer*innen und Versicherte miteinander verbinden.9

TI 2.0 – bald ohne Konnektor

Was viele Praxen aktuell vor Herausforderungen steht, soll demnächst wegfallen. Die gematik, die laut dem neuen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien zu einer „digitalen Gesundheitsagentur“3 ausgebaut werden soll, arbeitet bereits an der Telematikinfrastruktur 2.0, für die keine Konnektoren, Praxis- oder Heilberufsausweise mehr benötigt werden. Stattdessen soll der Zugriff einfach über das Internet möglich sein. Zugriffsberechtigte Personen erhalten eine elektronische Identität (eID), mit der sie Zugang zur TI haben. Auch Patienten*innen sollen in Zukunft per Smartphone unkompliziert auf ihre ePA oder auf E-Rezepte zugreifen können. Ein wenig müssen wir uns hier aber noch gedulden – die Umstellung auf die TI 2.0 soll Ende 2025 abgeschlossen sein.10

Zur TI 2.0 hat das Gesundheitsmanagement der BERLIN-CHEMIE AG für den EinBlick Newsletter ein Interview mit Stefan Höcherl, Leiter Bereich Strategie & Standards der gematik geführt. Hier können Sie das Interview nachlesen.

Weiterführende Informationen


Zum „Atlas der Telematikinfrastruktur“ gelangen Sie hier. Dort finden Sie auch ein kurzes Video, das die Ergebnisse der Umfrage zusammenfasst. Das PDF-Dokument können Sie über diesen Link direkt erreichen.

Ein Erklärvideo zum TI-Messenger finden Sie hier.

Infos zum eHBA, zur ePA oder E-Rezept finden Sie auf der Seite der gematik.

Was kommt dabei heraus, wenn eine Diabetologin und ein Vertreter der gematik über die Telematikinfrastruktur diskutieren? Finden Sie es heraus und hören Sie hier rein in die interaktive Live-Diskussion „Dia:cussion“ zur Frage „Telematikinfrastruktur – Autobahn oder Feldweg?“ mit Dr. Martina Lange (Diabetologin, Rheinbach) und Lars Gottwald (Leiter Business Teams der gematik, Berlin). Die Diskussion steht als Podcast zur Verfügung und ist mit zwei eCME-Punkten zertifiziert.

Nichts verpassen! Mit dem EinBlick Newsletter und den EinBlick Podcasts informiert Sie das Gesundheitsmanagement der BERLIN-CHEMIE über aktuelle gesundheitspolitische Nachrichten und die Hintergründe der Themen. Weitere Informationen zum Angebot finden Sie unter www.einblick-newsletter.de.


Quellen:
1. gematik. TI-Atlas der Telematikinfrastruktur. Zahlen. Daten. Fakten. 2021
2. Erklärvideo der gematik, www.gematik.de (Stand 18.11.2021)
3. SPD/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/FDP. Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN und FDP. 2021: 80-88
4. Pressemitteilung gematik, www.gematik.de, 24.11.2021
5. www.aerzteblatt.de, 04.11.2021
6. Werner A. www.medical-tribune.de, 26.10.2021
7. Kassenärztliche Vereinigung Hessen. www.kvhessen.de (Stand 08.10.2021)
8. gematik. www.gematik.de (Stand 17.11.2021)
9. www.aerzteblatt.de, 01.10.2021
10. www.aerzteblatt.de, 11.10.2021

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