Fachübergreifend Wissen auf dem Schirm haben – Leitlinien im Praxisalltag
Berlin, 17.03.2022
Diagnostische oder therapeutische Entscheidungen zu treffen kann im Praxisalltag gerade bei ko- und multimorbiden Patienten*innen eine große Herausforderung sein, vor allem dann, wenn dabei auf Wissen außerhalb des eigenen Fachgebietes zugegriffen werden muss. Eine von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) ins Leben gerufene fachbereichsübergreifende Leitlinien-App bietet Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung. Sie verknüpft die Inhalte von evidenzbasierten S2- und S3-Leitlinien sowie Nationale VersorgungsLeitlinien horizontal miteinander und bietet zudem zahlreiche zusätzliche Informationen...
Ko- und Multimorbidität? Gerade bei älteren Patienten*innen ist das in der Praxis nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Laut Datenanalyse von über 123.000 älteren Versicherten einer deutschen Krankenkasse sind fast zwei Drittel (62 %) der Menschen ab 65 Jahre von mindestens drei chronischen Erkrankungen betroffen.1 Liegen mehrere Krankheitsbilder vor, kann die Planung einer adäquaten Versorgung zu einer vielschichtigen Angelegenheit werden. Gilt es doch, die Erkrankungen im Verhältnis zueinander zu betrachten, um die am besten geeignete Behandlung des*der Patienten*in zu ermöglichen.2 Leitlinien, wie sie auf dem Onlineportal der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) abrufbar sind, können eine wertvolle Entscheidungshilfe sein. Die Crux dabei: Während des durchgetakteten Praxisablaufs ist es allein schon aus Zeitgründen kaum möglich, Leitlinien eingehend zu sichten und zu vergleichen. Zudem bewerten diese zwar umfassend den aktuellen Wissensstand zu einzelnen Krankheitsbildern – und das häufig von der Prävention bis hin zur Palliativmedizin – jedoch nicht immer im Zusammenhang mit anderen Indikationen.2 Eine Lösung, die darauf fokussiert, dieses geballte Wissen alltagstauglich miteinander horizontal zu verknüpfen, könnte daher eine wertvolle Hilfe bei der Behandlungsplanung sein.
Digitale Unterstützung im Leitliniendschungel
Genau das ist das Ziel von LeiLa PRO. Die von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) initiierte und in Kooperation mit einem Berliner Designunternehmen mit Schwerpunkt Digital Health entwickelte App verknüpft evidenzbasierte S2- und S3-Leitlinien sowie Nationale VersorgungsLeitlinien aus verschiedenen Fachrichtungen horizontal miteinander. Dadurch lassen sich die Inhalte genau abgestimmt auf die jeweilige Fragestellung miteinander vergleichen. Als zusätzliche Informationen sind zu den einzelnen Indikationen klinische Scores, Behandlungspfade, Rote-Hand-Hinweise abrufbar und es steht weiteres Servicematerial, wie etwa die mikrobielle Resistenzstatistik des Robert-Koch-Instituts zur Verfügung.3 Derzeit sind Leitlinien, Nationale VersorgungsLeitlinien und Zusatzinformationen enthalten u. a. zu Typ-2-Diabetes, chronischer Herzinsuffizienz, chronischer KHK, Asthma, COPD, Pneumonie, nichtspezifischem Kreuzschmerz, Spondyloarthritiden, Rheumatoider Arthritis und Sepsis. Auch COVID-19, Post- und Long-COVID werden thematisiert.4
Die Leitlinien lassen sich sowohl in Vollversion als auch in einer Übersicht mit sämtlichen Empfehlungen darstellen. Wem das auf dem Smartphone-Bildschirm zu komplex ist, kann die Desktop-Version der App nutzen. Eine weitere Besonderheit: Anhand von „klinischen Pathways“ lässt sich in einer „Schritt-für-Schritt“ Funktion der Weg durch Diagnostik und eine Therapie aufzeigen, so wie sie in den mit einbezogenen Leitlinien formuliert sind.3
Fazit
Eine interessante App, gedacht als handlungsorientierte Unterstützung zur leitliniengerechten Diagnostik und Therapie im Praxisalltag. Bleibt zu hoffen, dass sich außer den derzeit vier beteiligten Fachgesellschaften bald weitere dem Projekt anschließen werden.
Weiterführende Informationen
Näheres zu der App LeilaPro finden Sie hier.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) bietet eine App mit den Pocket-Fassungen ihrer Leitlinien. Sie enthalten die wichtigsten Fakten der Vollfassungen und machen deren Inhalt anhand von Schemata und Therapiealgorithmen greifbar. Noch kompakter fassen Cardio-Cards die Essentials wichtiger Leitlinieninhalte zusammen. Die App enthält zudem CDS-Tools (Clinical-Decision-Support-Tools), interaktive Scores, Kalkulatoren und Algorithmen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) stellt in ihrer App neben ihren Leitlinien ebenfalls interaktive Kalkulatoren, Scores sowie Diagnose- und Therapiealgorithmen zur Verfügung.
Alle Apps sind in den App-Stores kostenfrei erhältlich.
Quellen:
1. van den Bussche H et al. BMC Public Health 2011;11:101
2. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Presseinformation 04.06.2020
3. Köhnlein T et al. Pneumologe 2021;18:192-194
4. www.leila.de (Stand 08.03.2022)
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